Wer nachhaltig sein will, bildet aus


    Die Stimme der KMU und der Wirtschaft


    (Bild: zVg) Henrique Schneider

    Alle Firmen wollen nachhaltig sein. Sie schmücken sich als grün und klimafreundlich. Doch damit geben sie selber zu, von Nachhaltigkeit nichts zu verstehen. Nachhaltigkeit bedeutet nämlich etwas ganz anderes: Die Verbindung von ökonomischen, sozialen und Umwelt-Aspekten in der Wertschöpfung. Das ist Nachhaltigkeit. So wurde sie von den Vereinten Nationen definiert und mit dieser Bedeutung ist das Wort geschöpft worden. Wenn also Firmen sich einen grünen Anstrich geben, sind sie – eben – bestenfalls grün und nicht nachhaltig. Es fehlen ganz offensichtlich die ökonomischen und sozialen Aspekte.

    Zum Trauerspiel wird das Ganze, wenn Grossunternehmen uns ihre Nachhaltigkeit verkaufen wollen. Oft kommen sie auf lächerliche und meist kontraproduktive Beispiele zurück. Kürzlich in einem Prospekt eines Konzerns stand, er verzichte auf das Papier, da er digitalisiere. Ein Blick auf den Stromverbrauch zeigt deutlich, wie dieser bei der gleichen Firma in die Höhe schnellt. Mit Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun. Mit Umweltschutz auch nicht.

    Die gleiche Firma verkündet stolz: Wir verzichten auf Produkte aus Kinder- und Zwangsarbeit. Hoppla! Das ethische Minimum wird als Leistung deklariert. Auch das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Der gleiche Konzern, der so stolz ist, keine Kinderarbeit einzusetzen, sagt nichts über seine Berufsbildung aus.

    Dabei ist Berufsbildung das Nachhaltigste, was ein Unternehmen tun kann. Berufsbildung verbindet das Wirtschaftliche mit dem Sozialen und auch mit der Umwelt. Vier Gründe hierfür:
    Erstens bereitet die Berufsbildung Leute auf den Arbeitsmarkt vor. In der Kombination von Arbeit – freilich an erster Stelle – und Schule entwickeln Berufsgebildete ihr Interesse, ihre Produktivität, ihr Know-how und ihre Einsatzflexibilität. Mit der Berufsbildung gewinnen Menschen einen unmittelbaren Bezug zum Zusammenhang von Output und Input und erleben die Ergebnisse der eigenen Wertschöpfung.
    Zweitens sichert die Berufsbildung die Vielfalt im Arbeitsmarkt. Der funktionierende Arbeitsmarkt ist ein wesentlicher Faktor für den Wohlstand und für die Lebensqualität der Schweiz und der Menschen, die hier leben. Er sichert auch die Zukunft einer Branche – und zwar aus eigener Kraft. Wer ausbildet, leistet also einen Beitrag für die Stabilität der Volkswirtschaft aber auch für die künftige Entwicklung des eigenen Wertschöpfungssektors.
    Drittens stattet die Berufsbildung Menschen mit Fähigkeiten aus, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, selbständig zu entscheiden, und Verantwortung wahrzunehmen. Zum Beispiel mit der Möglichkeit, Meister zu werden, zeigt die Berufsbildung auf, wie wichtig es ist, sich lebenslang weiterzuentwickeln. Das ist wiederum stärker mit der praktischen Ausführung von Arbeit als mit einer schulischen Laufbahn verbunden. Ebenso bereitet sie ihre Absolventen auf die berufliche Selbständigkeit vor.
    Viertens: In der Berufsbildung lernen Menschen, sorgfältig mit Ressourcen umzugehen. Sie lernen, material- und energieeffizient zu sein und damit das Ökologische zum eigenen Vorteil einzusetzen. Genau das ist nachhaltig, die Verbindung von ökonomischen, sozialen und Umwelt-Aspekten in der Wertschöpfung.

    Menschen auszubilden ist das Nachhaltigste, das ein Unternehmen tun kann. Wieso liest man davon nur wenig – eigentlich gar nichts – in den Nachhaltigskeitsreklamen? Viel wichtiger noch: Berufsbildung ist das Nachhaltigste, was eine Firma tun kann. Wieso bilden nicht noch mehr Unternehmen Lehrlinge aus? Das ist die Frage, die uns beschäftigen sollte.


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    Zur Person:
    Henrique Schneider ist Verleger der Umwelt Zeitung. Der ausgebildete Ökonom befasst sich mit Umwelt und Energie aber auch mit Wirtschafts- und internationaler Politik.

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